Eine Bauerndirne in Eggen hätte gerne mit ihrem Friedel Hochzeit gehabt, konnte es aber nicht, weil sie beide so arm waren, wie die Kirchenmäuse.

Einmal, es war um die Almzeit, und die Dirne war mit den andern zum Heuen oben, da saß sie nach vollbrachte Tagwerk einsam auf einem Stein draußen nicht weit von der Schupfe und betrachtete das seltsame Glühen auf dem Bergspitzen.

Und es wart ihr so schwer ums Herz, dass die Thränen zu fließen begannen.
„Ach,“ seufzte sie, „hätte ich doch wenigstens ein Häusel und soviel dazu, dass wir beide davon leben könnten! Aber für unser einen will gar kein Glück aufgehen. Seit die Franzosen uns alles angeschürt haben, bringen wir‘s auf keinen grünen Zweig mehr.“

Und wie die Dirne so ihre kummervollen Gedanken fortspann, stand auf einmal eine Frau vor ihr, hoch und königlich und über die Maßen schön und reich.

Sie gebot der Dirne, ihr zu folgen.
Weil die Frau so milde herschaute, kam keine Furcht die Magd an, und sie gieng mit. Sie stiegen den glühenden Rosengarten hinein, und die Magd empfand gar keine Müdigkeit.
Wie es schon dunkelte, traten sie oben in einen königlichen Palast voll Wunder und Kostbarkeiten, und durch die krystallenen Wände sah man in einen Garten, in dem die schönsten Rosen blüten.

Im Garten war aber ein spiegelblanker Teich, und darin badeten niedliche Seejungfern, welche dabei sich eines wunderschönen Gesanges erlustigten.
Im Schloss aber zeigte sich viel dienendes Gesinde, lauter kleine Männlein mit langen Bärten, die ab und zu liefen und 1000 Dinge brachten und schleppten.

 

Einer von ihnen trug auf das Geheiß der hohen Frau einen Knäuel Wollengarn herbei, den die Königin der erstaunten Magd schenkte.
Dabei sagte sie: „Da nimm den Knäuel, und solange Du von dessen Herkunft schweigest, wird auch die wollen nicht gar werden. Sei brav und fleißig wie bisher, dann wird Dir Dein Glück nicht fehlen.“ Dann entließ sie die Magd.

 

Diese zog darauf zu einer alten Base und fieng an von dem Garn zu weben und webte und wirkte, dass es eine rechte Art hatte, und das Garn nahm kein Ende und hatte einen ganz
sonderbaren Glanz.
Als sie aber in einer mondhellen Nacht noch bei der Arbeit saß, trat die Königin des Rosengartens in das warme Gemach, gab ihr, weil sie so überaus emsig war, noch einen Knäuel Goldfaden und zeigte ihr, wie man prächtige Blumen und anderes Zierwerk in den Teppich wirke.
Das gab nun seltenes Gewebe.
Ihr Liebster trug die Ware hinaus in deutsche und wälsche Lande und löste viel Geld dafür.
Es dauerte gar nicht lange, da kauften sie mitsammen ein wohnliches Häuslein mit so viel Grund und Boden, dass sie zu leben hatten, feierten Hochzeit, und wenn die Bäurin fein stille gewesen ist über die Herkunft des Wollknäuels, ist der selbe noch immer nicht gar.

 

so in alter Orthographie bei:
Heyl, Johann Adolf: Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol, Verlagsanstalt Athesia Bozen, 1897, Nr. 11, S. 335 f.